Hannoverscher Selbsthilfetag 2022

Mit 45 Ständen waren Engagierte aus dem Bereich der Selbsthilfe bei strahlendem Sonnenschein in der hannoverschen Innenstadt am 14.05.2022 vertreten und gaben Einblick in ihre Arbeit. Nach den letzten Einschränkungen 2020/2021 wegen der Corona-Pandemie endlich wieder in echter Präsenz, ohne Abstandregeln und mit Aktionen an den Ständen und in dem Raum dazwischen. „Wie froh sind wir darüber!?“ Diese rhetorische Frage stellte Henrike Nielsen von der Kontakt- und Informationsstelle im Selbsthilfebereich KIBIS bei der Eröffnung der Veranstaltung und gab sich selbst die Antwort: Sehr!

Oberbürgermeister Belit Onay, Schirmherr der Veranstaltung, betonte in seiner Ansprache die Bedeutung der Selbsthilfe für das Gemein- und Gesundheitswesen. Gerade in der Zeit der Pandemie sei deutlich geworden, dass der Bedarf erheblich gestiegen sei und dass die Einschränkungen der Angebote diejenigen besonders hart getroffen haben, die auf Selbsthilfeunterstützung besonders angewiesen sind. Auch

Michaela Michalowitz als Stellvertretende Regionspräsidentin hob die besondere Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements im Selbsthilfebereich hervor, dass auch von der Region Hannover gefördert wird. Nach der Eröffnung mischte sie sich unter die bunte Menschenmenge und informierte sich an verschiedenen Ständen.

Zum Abschluss der Eröffnung gab Mario Hillerdt von der Selbsthilfegruppe Deutsche Klinefelter Vereinigung e.V. ganz persönliche Einblicke in die Selbsthilfegruppenarbeit und beispielhafte Schicksale, die den Bedarf nach Selbsthilfeunterstützung begründen können. Die Vielfalt der weiteren Themen, die an den bunten Ständen repräsentiert wurden, reichte von Alkohol- und anderen Süchten über Alzheimer, Angst, Blasenkrebs, Bluthochdruck, Borreliose, Diabetes, Dystonie, Epilepsie, Geburtshilfeschäden, Glaukom, Herzunterstützungssysteme, psychische Erkrankungen, sexuell übertragbare Krankheiten, Krebs, Körperbehinderungen, plötzlicher Kindstod, Multiple Sklerose, Neurofibromatose, Netzhautgeneration, Obdachlosigkeit, Restless-Legs-Syndrom, bis zu Väteraufbruch für Kinder, Verein Psychiatrie-Erfahrener und weiblicher Genitalverstümmelung. Für das musikalische Begleitprogramm sorgte das Musikcorps aus Oberricklingen „Dance an Drums e.V.“, die Tanzgruppe „Haverim“ der Liberalen Jüdischen Gemeinde, die Tanzgruppe Weberhäuser der Lebenshilfe Hannover, der Selbsthilfechor Klangfarben sowie das Hip Hop und Salsa „U-Dance Charity Projekt.“ Die KIBIS Hannover als Organisator der Veranstaltung bedankt sich bei allen Gruppen und auch bei weiteren zahlreichen ehrenamtlichen Helfern, die bei der Durchführung und beim Auf- und Abbau der Stände mit Know-How und tatkräftigem Zupacken eingebracht haben.

 

Kann man über Depressionen Witze machen?

Die beiden Komiker Kurt Krömer und Torsten Sträter reden über Ihre Depression.

Kurt Krömer, der es  in seiner Sendung “Chez Krömer” eigentlich nur darauf anlegt, seine Gäste bloßzustellen und zu beleidigen, hat sich den Poetry Slamer und Kabarettisten Torsten Sträter eingeladen. Nach anfänglichen oberflächlichen Gequatsche wechselt Krömer plötzlich nach 9:40 Minuten abrupt das Thema. „Wir haben eine Sache gemeinsam. Ich habe Bauchschmerzen, Schiss darüber zu sprechen!“ Krömer litt, genauso wie Sträter an schweren Depressionen. Sie erzählen sich, wie sie als Person von öffentlichen Interesse mit dieser Erkrankung leben konnten, wie sie sie therapiert haben, über ihre Angst, das Lustigsein zu verlieren und was sie jetzt tun, damit sie stabil bleiben. Im Laufe der nächsten 20 Minuten weiß man gar nicht mehr, wer hier eigentlich wen interviewt. Auch scheint die Kamera für die Beiden überhaupt nicht mehr zu existieren. Als Zuschauer*in hat man das Gefühl, mit dem Beiden im Wohnzimmer zu sitzen. Für Krömer ist es das erste Mal, dass er öffentlich über seine Erkrankung spricht. Sträter dagegen beginnt schon mal seine Show mit den Satz: „Ich bin depressiv!“
Dieser Beitrag kann viel dazu beitragen, das Thema Depression noch mehr aus der Tabuecke zu holen. Besonders junge Menschen und Angehörige können sich aus diesem Gespräch viel herausziehen.

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Poetry Slam begeistert 200 Gäste im Pavillon.

Im Rahmen der Aktionswochen des Bündnisses gegen Depression veranstaltete die KIBIS einen Poetry Slam zum Thema Depression. Vier Autor*innen gaben in dieser Dichterschlacht ihre besten Texte zum Besten. Sie erzählten von ihrer eigenen Betroffenheit oder von Depressionen in der Familie oder dem Freundeskreis. Durchgehend wurde immer wieder von Tabu und Akzeptanz gesprochen, bis hin zu eindringlichen resoluten Forderungen an die Gesellschaft und die Politik. Das Publikum lauschte, für einen Slam völlig unüblich, mucksmäuschenstill, nahezu andächtig. Voller Aufmerksamkeit hingen sie den Poet*innen an den Lippen. Erst als der Text nach maximal sieben Minuten (das sind die Vorgaben beim Slam) zu Ende war, erhob sich zaghaft sanfter, aber lang anhaltender Beifall. Wie beim Poetry Slam üblich, gibt das Publikum die Bewertung für die Texte ab. Von möglichen achtzig erreichbaren Punkten erhielten die Lesenden meist über sechzig. Das ist enorm gut beurteilt, meint Jan Egge Sedelies, der diesen Abend moderierte.
Einen Slam zu moderieren, der anspruchsvolle Texte zu einem sehr ernsten Thema darstellt und auf der anderen Seite einen abendliche Unterhaltungswert haben soll, sei schon eine Herausforderung, sagt Sedelies. Aber das Publikum hat genau diesen Spagat mitgemacht. Die Begeisterung für die ergreifenden Texte drückte sich bei der Bewertung in lauten Klatschen und Johlen aus. Die Atmosphäre war absolut stimmig. Nach 90 Minuten und acht Texten gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Tabea Farnbacher aus Bochum (die auch in unserer Anthologie „Worte aus der Depression“ vertreten ist) und Tanja Schwarz aus Hannover. Das Publikum entschied bei diesem Finale über die Lautstärke ihres Händeklatschens, aber es war keine Favoritin herauszuhören. Letztendlich hatten wir zwei Siegerinnen! Und das war gut so!

Eine der Siegerinnen: Tabea Farnbacher (Foto Matthias Stehr)

Was geschah am ersten großen Gesamttreffen in 2021?

Warten auf Gäste

Am 29.07.2021 fand unser erstes Gesamttreffen seit Ende 2019 auf unserem Innenhof statt. Die Veranstaltung konnte nur unter besonderen Auflagen stattfinden, so war die Teilnehmer*innenzahl begrenzt auf 30 Personen, alle mussten sich vorab anmelden, sich auf Covid19 testen lassen oder ihren vollständigen Impfschutz nachweisen und ihre Kontaktdaten bei uns hinterlassen.

Bei den Vorbereitungen mussten die Kolleg*innen ihr Improvisationstalent beweisen, um unseren doch sehr grauen Parkplatz in einen festlicheren Ort zu verwandeln.

(Fotos Aufbau)

Zunächst war eine gewisse Zurückhaltung zwischen den Gästen zu spüren, schließlich haben alle in den letzten 1,5 Jahren gelernt Abstand zu halten. Die Gespräche mussten sich zunächst entwickeln. Bei Kaffee, Kuchen und Kaltgetränken lockerte sich die Atmosphäre zusehends auf und viele Gäste blieben bis zum Schluss und unterhielten sich angeregt miteinander. Dennoch gab es auch kritische Stimmen bezüglich der Veranstaltung. So wurde z.B. der Wunsch nach mehr Informationen vorab bezüglich des Ablaufs der Veranstaltung und der Bewirtung geäußert, ebenso wurde der Wunsch geäußert, die Veranstaltung stärker zu rahmen, um die Kontaktaufnahme untereinander zu erleichtern.

Diese Anregungen haben wir aufmerksam wahrgenommen und möchten diese bei kommenden Veranstaltungen dieser Art umsetzen. An dieser Stelle noch vielen Dank für das direkte Feedback, dass hilft uns, uns weiterzuentwickeln.

Kn

Auf in die digitale Welt!

Schnupperkurs BBB

Mit der KIBIS Videokonferenzen entdecken

Die KIBIS bietet einen Schnupperkurs in BigBlueButton an

Videokonferenzen sind in aller Munde. Die Digitalisierung der Gesellschaft, verbunden mit dem pandemiebedingten Lockdown, verschafft virtuellen Treffen zu mehr Beliebtheit und Verbreitung. Viele Menschen wünschen sich Unterstützung bei dem Kennenlernen dieses neuen Mediums. Das Interesse an virtuellen Treffen ist auch in der Selbsthilfe durch die coronabedingten Kontaktbeschränkungen gewachsen. Doch auch Unsicherheiten im Umgang mit der Technik und Fragen zum Datenschutz kamen auf. Welche Anbieter von Videokonferenzen sind für Selbsthilfegruppentreffen geeignet? Wo sind unsere besonders sensiblen Daten sicher? Vertraulichkeit als ein Grundpfeiler der Selbsthilfe darf nicht auf der Strecke bleiben.
Es zeichnete sich ein Bedarf an Fortbildungen in digitalen Medien ab. Nicht nur für Selbsthilfe-Aktive, auch innerhalb des KIBIS-Team wurde sich fleißig fortgebildet, digitale Workshops wurden besucht, das Team setzte sich intensiv mit dem digitalen Medium auseinander.
Dann wurde es Zeit das gewonnene Wissen an die Selbsthilfegruppen weiterzugeben. Tipps & Tricks, Handreichungen für digitale Treffen wurden im Infokoffer an die Selbsthilfegruppen verschickt. Doch damit nicht genug. Für analog orientierte Menschen braucht es ein umfangreicheres Angebot. Wir machten es uns zur Aufgabe diese Zielgruppe mit einem Angebot zu erreichen.
Zwei Kolleginnen aus dem KIBIS-Team nahmen an einem mehrteiligen Workshop der Landeshauptstadt Hannover in Kooperation mit youvo e.V.teil.
Im Rahmen dieses Workshops konzipierten wir ein Angebot für Menschen die sich im Digitalen noch nicht recht „zu Hause“ fühlen, die Berührungsängste haben, Unsicherheiten mit der Technik empfinden. Wir richteten uns an alle, die aus unterschiedlichen Gründen, noch keine Erfahrungen mit Videokonferenzen gemacht hatten. Wir wollten analog-orientierte Selbsthilfe-Aktive erreichen und ihnen die Möglichkeit geben, digitale Kompetenzen für Videokonferenzen zu entwickeln. Unser Ziel: Alle Interessierten sollen das Knowhow bekommen, sich digital (mit ihren Selbsthilfegruppen) zu treffen.
Worauf haben wir besonders Wert gelegt?

  1. Gute Atmosphäre: Alle sind willkommen & sollen sich wohl fühlen ☺
  2. Viel Zeit: Ausreichend zeitliche Ressourcen einplanen. 🕰
  3. Geduld: Jede*r darf in ihrem*seinem Tempo lernen. 🐾
  4. Spaß am Entdecken des Mediums durch spielerische Methoden ermöglichen. 🎢
  5. Beginner*innen Geist: Raum zum Ausprobieren schaffen. Es kann nichts kaputtgehen! 🚀

Im Moment sind die Kontaktbeschränkungen gelockert, Selbsthilfegruppen dürfen sich „in echt“ treffen. Der Bedarf an virtuellen Treffen ist gerade wohl nicht außerordentlich groß. Wir wissen aber auch, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist. Eine digitale Alternative in der Hinterhand zu haben, bleibt also von Vorteil.


 [K1]Verlinken zu:

https://www.freiwillig-in-hannover.de/organisiert/veranstaltungen/vergangene-veranstaltungen/analog-orientierte-zielgruppen-mitnehmen/

Zum ersten Mal beim Selbsthilfetag

06:30 Uhr traf sich ein Teil des Aufbauteams zum Corona-Schnelltest in der KIBIS. Für diese frühe Uhrzeit herrschte schon gute Stimmung und es wurde gescherzt. („Was macht der Test? Oh, bin ich doch schwanger?“) Nach erfolgreicher Negativ-Testung ging es zum Treffpunkt am Kröpcke wo der zweite Teil des Aufbauteams schon aktiv war.

07:00 Uhr Gerade angekommen und schon ging es los! Die Autos ausladen und den Stand aufbauen. Vor dem Aufbau unseres Pavillons machten sich einige Kolleg*innen Sorgen, da es wohl in den vergangenen Jahren immer wieder knifflige Momente dabei gab. Zum Glück waren die ehrenamtlichen Helfer*innen von der Deutschen Bank schon vor Ort. So kamen wir nach dem Motto: Viele Hände, schnelles Ende, zügig mit dem Aufbau voran. Eine neue Idee, die KIBIS-Banderole vor dem Aufspannen des Daches anzubringen stellte sich als durchaus hilfreich heraus. Das werden wir in den kommenden Jahren wieder so machen.

07:45 Uhr der Stand steht und die „Wuselei“ beginnt. Nach und nach trudelten die Selbsthilfegruppen ein. Da es, aufgrund kurzfristiger Absagen, noch zu Standplatzveränderungen kam, haben wir die Gruppen an unserem Stand empfangen und von dort aus zu ihrem Platz begleitet. 38 Gruppen mit insgesamt 30 Ständen waren vor Ort.

09:00 Auf los geht’s los! Denn abgesehen vom Selbsthilfetag war es auch das erste Wochenende an dem es wieder möglich war, ohne vorherigen Termin, ein Geschäft zu besuchen. Dementsprechend füllte sich der Kröpcke schnell mit Menschen. An unserem Stand gab es viele Beratungen, tolle Gespräche und endlich die Möglichkeit ein Gesicht zu Menschen zu bekommen mit denen ich als relativ neuer Mitarbeiter in der KIBIS schon oft telefoniert habe. So sprachen wir uns schon am Vormittag fast heiser, wobei die Freude über die angeregten Gespräche überwog.

12:00 Mittagspause, der Moment sich kurz dem Getümmel zu entziehen, etwas zu essen und zu sitzen. Und auch die Chance die vielen tollen Stände der Gruppen aus Besucher*innenansicht zu erleben. An den meisten Ständen fand reger Austausch statt. Die kreativen Stände waren beeindruckend und zeigten die Vielfalt der Selbsthilfe.

12:45 Weiter geht’s im KIBIS Stand. Fortan wurde es voll an unserem Stand. Es gab durchgängig Gespräche, Beratungen und es wurden neue Kontakte geknüpft. Das machte richtig Spaß und die Zeit verging wie im Flug!

16:00 Kurz vorher war schon eine gewisse Unruhe auf dem Kröpcke zu spüren, der Abbau stand an und alle mobilisierten noch einmal ihre letzten Kräfte. Schon nach kurzer Zeit war der Pavillon abgebaut und alle unsere Sachen in den Autos verstaut. Gemeinsam ging es zurück zur KIBIS zum ausladen. Dabei entstanden interessante zwischenmenschliche Gespräche die im vollen Arbeitsalltag nicht immer Platz haben.  

17:30 Das große Finale für diesen Tag war das Eis essen. Eine Tradition der KIBIS- Mitarbeiter*innen nach jedem Selbsthilfetag. Der gemeinsame Spaziergang zur Eisdiele und zurück mit einer großen Box voller Eis als Trophäe, fühlte sich hervorragend an. Anschließend verlieh unsere Teamleitung noch zwei selbstgebastelte Orden an die beiden Kolleginnen die den Selbsthilfetag 2021 hauptsächlich organisierten: Silke Gdanitz und Tatjana Hattig. Eine tolle Würdigung Ihrer Leistung und glorreicher Abschluss des Tages.

Mit Vorfreude blicke ich auf den nächsten Selbsthilfetag in 2022!

JK

Zerreißprobe

Die Selbsthilfegruppen, die vielen freiwillig Engagierten, die Themen der Selbsthilfe, die Interessierten an den Gruppen, den Bedarf nach Austausch und Begegnung, nach Offenheit und gegenseitiger Unterstützung – dies alles gibt es noch. Ungebrochen.

Jedes Jahr im Mai richtet die KIBIS den Hannoverschen Selbsthilfetag aus. Normalerweise ist dies ein großes Fest, bei dem sich hunderte Engagierte aus Selbsthilfegruppen mit ihren Themen, mit liebevoll gestalteten Info-Ständen und vielseitigen Mitmach-Aktionen präsentieren. Mittendrin befindet sich der KIBIS-Stand, der alle Selbsthilfegruppen repräsentiert, die nicht persönlich vor Ort sind. Am Kröpcke findet sich auch eine mobile Bühne, auf und vor der Musik, Tanz und Diskussion präsentiert wird. Der Oberbürgermeister als Schirmherr der Veranstaltung und eine Vertreterin oder ein Vertreter der Region halten Grußworte, auch langjährig Engagierte aus den Selbsthilfegruppen sprechen stellvertretend für die Aktiven in Hannover. Interessierte, die nicht per Fernruf Kontakt mit einer für sie in Frage kommenden Selbsthilfegruppe aufnehmen wollen, sondern ein persönliches Kennenlernen bevorzugen, werden hier fündig – manche warten gern ein Jahr, um sich einen Eindruck machen zu können. Politikerinnen und Politiker finden sich ein, um sich über die Selbsthilfe zu informieren und fast nebenbei kommen alle Stadtbummelnden an der Kraft, Stärke, Präsenz und Vielfalt der Selbsthilfe nicht vorbei.

Im letzten Jahr hat die KIBIS den Selbsthilfetag angesichts der ersten Welle der Pandemie schon frühzeitig abgesagt: zu ungewiss war die Gefährdungslage, besonders auch für die Teilnehmenden aus den Gruppen, von denen nicht wenige zum vulnerablen Personenkreis gehören. Im Herbst wurde die Veranstaltung im Internet nachgeholt. Auch wenn wir froh waren, den Selbsthilfegruppen diese Plattform bieten zu können, war es doch etwas ganz anderes als das große schöne Selbsthilfefest in der Innenstadt.

Und in diesem Jahr?

Wir wägen ab:

Die Dritte Welle schien lange ungebrochen, wir haben unendlich viel gelernt über Aerosole, Impfstoffe, über Masken oder Visiere, über Viren im allgemeinen und Coronaviren im Speziellen.

Die Innenstadt-Läden dürfen zur Zeit nur nach Anmeldung besucht werden (noch etwas, das wir gelernt haben: Einkaufen per ‚click and meet‘). Beratungsgespräche müssen mit Mund-Nasen-Maske und auf Abstand geführt werden: Eine Begegnung kann zwar von Angesicht zu Angesicht stattfinden – nur fehlt die Hälfte des Gesichtes. Für Hörgeschädigte stellt dies zum Beispiel eine unmögliche Hürde dar.

Der Selbsthilfetag findet zwar unter freiem Himmel statt – doch reicht die frische Luft zum Schutz der Engagierten aus den Gruppen und zum Schutz derjenigen, die Kontakt suchen aus? Wenn wir den Selbsthilfegruppen dieses Forum anbieten – laden wir gleichzeitig zum Eingehen eines Risikos ein? Wie geht ein Selbsthilfetag ohne Nähe? Wie wird so ein Tag für uns, wenn kein Bühnenprogramm stattfinden kann? Wenn wir gezwungen sind, Barrieren für Hörgeschädigte einzuführen, um dem Schutz vor Infektion gerecht zu werden… widerspricht dies nicht allen unseren Grundprinzipien zur Barrierefreiheit? Und überhaupt: wer weiß schon, wie die Welt Ende Mai aussieht?

Und doch.

Und doch halten wir an der Durchführung fest! Auch die Region Hannover hat uns ermutigt, die nächste Verordnung, die am 10.05. in Kraft treten wird, abzuwarten und dann ein Hygienekonzept zu erstellen.

Die Selbsthilfe hat in dem vergangenen Jahr trotz all der Einschränkungen so viele kreative Ideen gehabt, um weiter im Gespräch bleiben zu können. Es haben sich so viele Menschen unendlich mehr engagiert, um Teilnehmende nicht zu verlieren: an die Sucht, an die Depression, an die Pandemiemüdigkeit oder die Resignation. Dies alles verdient einen Ausdruck, ein lebendiges Zeichen, ein gegenseitiges Sich-Versichern: Auch wenn alle im vergangenen Jahr viel haben überwinden müssen: die Selbsthilfe ist lebendig! Sichtbar! Kreativ! In Kontakt!

Nie

Erste Selbsthilfegruppe, die Coronamaßnahmen in Frage stellt

Eine Dame, deren Mutter im Pflegeheim lebt, möchte eine Gruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz gründen. Nun, Angehörigengruppen gibt es zu diesem Thema viele (allein neunzehn sind bei uns für die Region Hannover gelistet). Auf meine Frage, warum sie sich nicht einer bestehenden Gruppe anschließe, erwiderte sie, dass für sie, die sowohl beruflich als auch privat fast ihr Leben lang mit Alten und Dementen zu tun habe, eine neue Komponente hinzugekommen sei. Ich ahne schon, dass es sich um Corona handeln muss.
Und dann holt sie aus (und ich höre gespannt zu). Seit fast einem Jahr könne sie ihre Mutter nur noch eingeschränkt oder gar nicht besuchen. Und wenn sie sie besuchen darf, sind die Enkel nicht dabei und die Tochter ist maskiert, so wie auch das Pflegepersonal. Gemeinschaftsveranstaltungen finden im Heim nicht mehr statt. Die ohnehin schon wenigen sozialen Kontakte gehen gegen Null. Ihre Mutter verstehe die Situation auf einer sachlichen Ebene, sagt sie. Aber emotional?
Die Mutter tue ihr leid. Sie sehe so traurig, hilflos und verstört aus. Sie leide unter der Einsamkeit.
„Es sind doch ihre letzten Jahre, die sie hat. Kann sie die nicht einfach noch genießen, statt mit zweifelhaften Hygieneregeln malträtiert zu werden?“ Ich werfe ein, dass diese Maßnahmen ihre Mutter aber vor Ansteckung schütze und sie am Leben erhalte. Was das denn für ein Leben sei, fragt mich die Anruferin. „Wissen Sie, meine Mutter ist jetzt 86 Jahre alt. Ihr Leben begann in einer schrecklichen Zeit“ (ich rechne aus: 1935 geboren). „Und soll ihr Leben nun genauso schrecklich enden?“ Ich denke an Nationalsozialismus, Diktatur und Einschränkung der Grundrechte. Zumindest letzteres sei ja nun eindeutig gegeben. Gut, die Sichtweisen auf die Coronamaßnahmen sind sehr unterschiedlich, um nicht zu sagen, polarisiert. Es scheint nur zwei Haltungen zu geben. Diejenigen, die alle Pandemieregeln für angemessen halten und jene, denen die Aushebelung der demokratischen Grundrechte zu weit geht. Und dazwischen gibt es wenig Raum für Diskussion. Aber diese Diskussion möchte die Gruppengründerin gerne führen, denn sie selbst sieht sich weder auf der eine noch auf der anderen Seite!
Können wir darüber sprechen, welche Maßnahmen uns schützen und welche uns leiden lassen? Können wir abwägen, was sinnvoll scheint und was übertrieben oder gegenteilig wirkt? Und dürfen wir Gedanken laut äußern, ohne Unsolidarität und Unmenschlichkeit vorgeworfen zu bekommen?
Ja, wir dürfen! Und wir sollten sogar offen darüber sprechen!
Ich begrüße die Idee der Gruppengründung vom ganzen Herzen!

Das Gespräch mit der Anruferin habe ich aus meinen Erinnerungen mit besten Gewissen wiedergegeben. Die Person und die Selbsthilfegruppe sind bewusst anonymisiert worden.

pm

Umfrageergebnisse zum Selbsthilfetag – virtuell

Ergebnis der Umfrage zum Selbsthilfetag – virtuell

Wir haben alle teilnehmenden Selbsthilfegruppen befragt.

Zur Frage – Wie hat Ihnen der Selbsthilfetag – virtuell –gefallen? – war die überwiegende Rückmeldung positiv, betont wurde oft, dass es besser ist, als wenn gar nichts stattfinden würde. Einige hatten sich den virtuellen Selbsthilfetag aber auch gar nicht angesehen. Bedauert haben einige, dass der reale Selbsthilfetag nicht stattfinden konnte.

Eine Gruppe aus dem Bereich Sehbehinderung hat uns die Rückmeldung gegeben, dass er barrierefrei war (in diesem Fall war die Schrift zu vergrößern). Das freut uns sehr und beantwortet auch gleich die Kritik,  die von einigen geäußert wurde, dass wir beim nächsten Mal mit mehr Bildern arbeiten sollten, das Layout zu schlicht war, die einzelnen Gruppen auf der Karte nicht mehr angeklickt werden müssten, sondern sich automatisch ein Pop-up-Fenster öffnet.

Das „schlichte Layout“ hängt mit der Barrierefreiheit zusammen, das versuchen wir immer umzusetzen.

Der Aufwand für die einzelnen Gruppen war gut zu bewerkstelligen, das hat die überwiegende Mehrheit rückgemeldet. Ein paar Gruppen haben die Möglichkeit genutzt, ein spezielles Angebot zu machen (z.B. Sprechstunde, Vortrag usw.), es wurde aber tatsächlich nur einmal genutzt.

Eine Wiederholung finden 10 befragte Gruppen von 65 teilnehmenden Gruppen nicht sinnvoll. Die anderen 55 Gruppen finden es auf jeden Fall sinnvoll. Natürlich nur, wenn der reale Selbsthilfetag am Kröpcke nicht stattfinden kann.

Verbesserungsvorschläge wurden zum Ende genannt. Hier ging es oftmals um die Schlichtheit des Layouts. Das bedingt sich aber durch die Barrierefreiheit, die wir auf jeden Fall gewährleisten wollen. Verschiedene Gruppen haben sich vorgenommen, kleine Videos zu drehen, um sie beim nächsten Mal einzustellen. Liveschaltungen wurden gewünscht, aber auch eine größere Öffentlichkeit (hier wurde ein Bericht beim NDR gewünscht). Dazu können wir nur sagen, dass wir uns das jedes Jahr wünschen und den NDR, sowie andere TV-Sender anfragen, aber es kommt keine Reaktion… Das Problem ist hier ja oft schon die regionale Presse, die aber den diesjährigen virtuellen Selbsthilfetag gut beworben hat, aber die Jahre vorher gar nicht berichtet hat.

Abschließend können wir sagen, dass es trotz des enormen Aufwandes für uns eine gute Möglichkeit der Darstellung der Selbsthilfe war. Die Mehrheit würde wieder teilnehmen, wenn wir nicht real am Kröpcke sein dürfen.

Wir hoffen, dass dann auch Gruppen teilnehmen, die beim ersten Mal nicht dabei waren. Seien Sie mutig und kreativ! Vieles ist möglich!!!

Natürlich ist es dennoch auch unser Wunsch Ende Mai mit Ihnen am Kröpcke die Vielfalt der Selbsthilfe zu präsentieren, denn den persönlichen Austausch kann man nicht ersetzen.

Ausgebremst

Jetzt hatten wir gerade wieder etwas Fahrt aufgenommen im Team, mit dem Poetry-Slam im Haus der Region und dem 34. Hannoverschen Selbsthilfetag – virtuell – und Schwupps sind die Möglichkeiten Veranstaltungen anzubieten auch schon wieder vorbei für dieses Jahr.

Schade. Den Kinofilm im Raschplatz hätten wir gerne noch gezeigt. Denn gerade jetzt, wo die dunkelsten Tage des Jahres auf uns zukommen, wäre es schön gewesen noch etwas Abwechslung und Unterhaltung anbieten zu können und vor allem damit auch für das Thema psychische Erkrankungen zu sensibilisieren.

Auf NDR gab es ja in der letzten Woche einen Beitrag mit einer Selbsthilfegruppe aus der Region Hannover: https://t1p.de/2f1k zum Thema Selbsthilfe, Psychische Erkrankungen und Covid-19.

Auch weitere Beiträge des NDR beschäftigten sich damit, dass es laut Zahlen der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Hannover im ersten Halbjahr 2020 rund 26.700 Fälle von Krankmeldungen aufgrund psychischer Leiden gegeben habe – im Vorjahreszeitraum seien es noch rund 14.600 gewesen. Das ist ein beachtliches Plus von rund 80 Prozent. Bereits im Mai, nach dem ersten Lock down, war von Seiten der Ärztekammer darauf hingewiesen worden, dass zum Beispiel Bewohner*innen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und ältere Heimbewohner*innen Gefahr laufen, aufgrund von Isolation und Kontaktbeschränkung, beispielsweise Depressionen zu entwickeln. Hier soll ja nun diesmal, durch schnellere Tests, der Kontakt zur Umwelt für die Heimbewohner*innen aufrechterhalten werden.

Aber die Beschränkungen und Ihre Folgen betreffen uns ja irgendwie alle: wenig Ablenkung von außen durch Veranstaltungen und Aktionen, trübes Herbst-und Winterwetter, wenig erlaubte oder auch mögliche Kontakte zu Familie und Freunden…. Wie schaffen Sie es durch diese Zeit zu kommen?

Ich zünde zuhause immer viele Kerzen an, wenn es draußen zu dämmern beginnt und versuche mir jede Woche einen kleinen Blumenstrauß zu kaufen, um Licht und Farbe um mich herum zu haben. Darüber kann ich mich freuen. Außerdem telefoniere ich wieder öfter und länger mit Freunden und Familie. Einerseits weil ich selbst mehr Lust dazu habe aber auch um alleinlebende Menschen in meinem Freundeskreis jetzt nicht hängen zu lassen. Und irgendwie fällt mir auf, dass ich mit den Gedanken mehr im Hier und Jetzt bin und weniger in die Zukunft plane als ich das sonst von mir gewohnt bin. Und Letzteres tut mir, so stelle ich fest, psychisch sogar ganz gut.

Aber den ausgefallenen Kinofilm wollen wir natürlich trotzdem planen und hoffen ihn 2021 zeigen zu können.

HA