Erste Selbsthilfegruppe, die Coronamaßnahmen in Frage stellt

Eine Dame, deren Mutter im Pflegeheim lebt, möchte eine Gruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz gründen. Nun, Angehörigengruppen gibt es zu diesem Thema viele (allein neunzehn sind bei uns für die Region Hannover gelistet). Auf meine Frage, warum sie sich nicht einer bestehenden Gruppe anschließe, erwiderte sie, dass für sie, die sowohl beruflich als auch privat fast ihr Leben lang mit Alten und Dementen zu tun habe, eine neue Komponente hinzugekommen sei. Ich ahne schon, dass es sich um Corona handeln muss.
Und dann holt sie aus (und ich höre gespannt zu). Seit fast einem Jahr könne sie ihre Mutter nur noch eingeschränkt oder gar nicht besuchen. Und wenn sie sie besuchen darf, sind die Enkel nicht dabei und die Tochter ist maskiert, so wie auch das Pflegepersonal. Gemeinschaftsveranstaltungen finden im Heim nicht mehr statt. Die ohnehin schon wenigen sozialen Kontakte gehen gegen Null. Ihre Mutter verstehe die Situation auf einer sachlichen Ebene, sagt sie. Aber emotional?
Die Mutter tue ihr leid. Sie sehe so traurig, hilflos und verstört aus. Sie leide unter der Einsamkeit.
„Es sind doch ihre letzten Jahre, die sie hat. Kann sie die nicht einfach noch genießen, statt mit zweifelhaften Hygieneregeln malträtiert zu werden?“ Ich werfe ein, dass diese Maßnahmen ihre Mutter aber vor Ansteckung schütze und sie am Leben erhalte. Was das denn für ein Leben sei, fragt mich die Anruferin. „Wissen Sie, meine Mutter ist jetzt 86 Jahre alt. Ihr Leben begann in einer schrecklichen Zeit“ (ich rechne aus: 1935 geboren). „Und soll ihr Leben nun genauso schrecklich enden?“ Ich denke an Nationalsozialismus, Diktatur und Einschränkung der Grundrechte. Zumindest letzteres sei ja nun eindeutig gegeben. Gut, die Sichtweisen auf die Coronamaßnahmen sind sehr unterschiedlich, um nicht zu sagen, polarisiert. Es scheint nur zwei Haltungen zu geben. Diejenigen, die alle Pandemieregeln für angemessen halten und jene, denen die Aushebelung der demokratischen Grundrechte zu weit geht. Und dazwischen gibt es wenig Raum für Diskussion. Aber diese Diskussion möchte die Gruppengründerin gerne führen, denn sie selbst sieht sich weder auf der eine noch auf der anderen Seite!
Können wir darüber sprechen, welche Maßnahmen uns schützen und welche uns leiden lassen? Können wir abwägen, was sinnvoll scheint und was übertrieben oder gegenteilig wirkt? Und dürfen wir Gedanken laut äußern, ohne Unsolidarität und Unmenschlichkeit vorgeworfen zu bekommen?
Ja, wir dürfen! Und wir sollten sogar offen darüber sprechen!
Ich begrüße die Idee der Gruppengründung vom ganzen Herzen!

Das Gespräch mit der Anruferin habe ich aus meinen Erinnerungen mit besten Gewissen wiedergegeben. Die Person und die Selbsthilfegruppe sind bewusst anonymisiert worden.

pm

Ausgebremst

Jetzt hatten wir gerade wieder etwas Fahrt aufgenommen im Team, mit dem Poetry-Slam im Haus der Region und dem 34. Hannoverschen Selbsthilfetag – virtuell – und Schwupps sind die Möglichkeiten Veranstaltungen anzubieten auch schon wieder vorbei für dieses Jahr.

Schade. Den Kinofilm im Raschplatz hätten wir gerne noch gezeigt. Denn gerade jetzt, wo die dunkelsten Tage des Jahres auf uns zukommen, wäre es schön gewesen noch etwas Abwechslung und Unterhaltung anbieten zu können und vor allem damit auch für das Thema psychische Erkrankungen zu sensibilisieren.

Auf NDR gab es ja in der letzten Woche einen Beitrag mit einer Selbsthilfegruppe aus der Region Hannover: https://t1p.de/2f1k zum Thema Selbsthilfe, Psychische Erkrankungen und Covid-19.

Auch weitere Beiträge des NDR beschäftigten sich damit, dass es laut Zahlen der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Hannover im ersten Halbjahr 2020 rund 26.700 Fälle von Krankmeldungen aufgrund psychischer Leiden gegeben habe – im Vorjahreszeitraum seien es noch rund 14.600 gewesen. Das ist ein beachtliches Plus von rund 80 Prozent. Bereits im Mai, nach dem ersten Lock down, war von Seiten der Ärztekammer darauf hingewiesen worden, dass zum Beispiel Bewohner*innen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und ältere Heimbewohner*innen Gefahr laufen, aufgrund von Isolation und Kontaktbeschränkung, beispielsweise Depressionen zu entwickeln. Hier soll ja nun diesmal, durch schnellere Tests, der Kontakt zur Umwelt für die Heimbewohner*innen aufrechterhalten werden.

Aber die Beschränkungen und Ihre Folgen betreffen uns ja irgendwie alle: wenig Ablenkung von außen durch Veranstaltungen und Aktionen, trübes Herbst-und Winterwetter, wenig erlaubte oder auch mögliche Kontakte zu Familie und Freunden…. Wie schaffen Sie es durch diese Zeit zu kommen?

Ich zünde zuhause immer viele Kerzen an, wenn es draußen zu dämmern beginnt und versuche mir jede Woche einen kleinen Blumenstrauß zu kaufen, um Licht und Farbe um mich herum zu haben. Darüber kann ich mich freuen. Außerdem telefoniere ich wieder öfter und länger mit Freunden und Familie. Einerseits weil ich selbst mehr Lust dazu habe aber auch um alleinlebende Menschen in meinem Freundeskreis jetzt nicht hängen zu lassen. Und irgendwie fällt mir auf, dass ich mit den Gedanken mehr im Hier und Jetzt bin und weniger in die Zukunft plane als ich das sonst von mir gewohnt bin. Und Letzteres tut mir, so stelle ich fest, psychisch sogar ganz gut.

Aber den ausgefallenen Kinofilm wollen wir natürlich trotzdem planen und hoffen ihn 2021 zeigen zu können.

HA

Poetry Slam “Ich und Depression?”

Eine Veranstaltung in Corona-Zeiten durchzuführen ist eine große Herausforderung. Das Bündnis gegen Depression in der Region Hannover nahm sich dieser Herausforderung mit einer Veranstaltungsreihe an. In Kooperation mit „Macht Worte!“ und dem Sozialpsychiatrischen Verbund der Region Hannover haben wir einen Poetry Slam mit Hygienekonzept geplant und auf die Beine gestellt.

Unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln durfte der Slam im Saal des Haus der Region mit 50 Gästen stattfinden. Die Anmeldungen liefen per E-Mail über die KIBIS, da die begrenzen Plätze schnell ausgebucht waren, wurde eine Nachrückliste eingerichtet. Dank rechtzeitiger Absagen konnten von der Nachrück-Liste noch 3 Personen am Abend teilnehmen. Am Einlass erschienen dann, von den 50 vorangemeldeten, 47 Gäste. Das passte ideal, denn es kamen noch 3 weitere Gäste und wir mussten so niemanden nach Hause schicken. Somit konnte der Abend vollzählig beginnen.

Nach den Grußworten von Rita Hagemann und Uwe Blanke, dem stellvertretenden Koordinator des Bündnisses gegen Depression in der Rregion Hannover, begann der Abend unter der Moderation von Jan Egge Sedelies. Das Thema Depression wurde während des Abends in seinen verschiedenen Facetten dargestellt. Mit einer guten Mischung aus ehrlich ernsthaften Berichten und Humor gestaltete sich der Abend spannend und kurzweilig.

Uwe Blanke und Rita Hagemann begrüßen die Gäste des Poetry Slams

Beim Slam gingen insgesamt vier Poet*innen an den Start. In zwei spannenden Runden wurden Punkte und Applaus gesammelt, im anschließenden Finale traten dann Kersten Flenter aus Hannover und Tabea Farnbacher aus Bochum an. Per Publikumsentscheid ging Tabea Farnbacher als Siegerin hervor. Neben einem großen Applaus erhielt sie den KIBIS-Infokoffer!

JK

Es ist viel los hier in der KIBIS

Neulich bei uns in der Teambesprechung wollten wir einen Termin für das erste Treffen der nächsten neuen Gruppe vereinbaren – und haben keinen gefunden!

Es scheint, als hätte sich viel aufgestaut bei den Initiator*innen und jetzt wollen alle loslegen. Viele Gruppen hatten auch schon einen ersten Termin im März vereinbart. Und dann ist die ganze schöne Energie in den Kontaktbeschränkungen stecken geblieben.

Wir freuen uns darüber, dass nach der langen Zeit nun so viele Themen in der Selbsthilfelandschaft Platz finden. Die Interessierten und Initiator*innen lassen sich von der Unsicherheit, wie und ob Treffen über den Winter möglich sein werden, nicht abschrecken.

So befinden sich Gruppen zu vielen Themen in der Gründungsphase: Kaufzwang, Einsamkeit mitten in der Stadt, Einsamkeit im Quartierstreff Wiesenau, Bipolare Störung, Psychose und Schizophrenie, Depression nach der Tagesklinik, Depressionsgruppe für Männer, Genetisch bedingte Lipoproteinproduktion, Mobbing und Bossing in Neustadt, Schuppenflechte in Neustadt, Vaginismus, Verlassene Eltern…

Bis Anfang Oktober finden sich in jeder Woche zwei bis vier Gruppentreffen, und da sind noch nicht die Gesamttreffen inbegriffen, die (allerdings per Video) auch themenbezogen stattfinden werden.

Wenn wir dann bei den Gründungstreffen dabei sein wollen oder die Treffen hier bei uns im Hof oder (bei kleineren Teilnahmezahlen) im Konferenzraum stattfinden, wird es langsam eng: mehr als eine Gruppe findet keinen Platz und viele andere (Abend-) Termine finden inzwischen auch wieder statt. So puzzeln wir in jeder Teambesprechung neu, damit die Startenergie auch genutzt werden kann.

Für uns wird damit deutlich, dass Selbsthilfe auf Pausetaste nicht funktioniert. Wir alle wissen es ja schon: Selbsthilfe in Gruppen ist hilfreich und sowohl persönlich als auch gesellschaftlich von großem Nutzen – aber diese Dringlichkeit, die im Moment zutage tritt, ist (mal wieder) beeindruckend.

Nie

Telefon – Video – draußen und drinnen: die KIBIS probiert alles aus

Von den Gruppen hören wir, dass sie unterschiedliche Formate für ihre Treffen ausprobieren. Wir möchten die Gruppen dabei unterstützen und probieren kräftig mit:

Vor ein paar Tagen haben wir ein Gesamttreffen als Telefonkonferenz organisiert. Ziel dabei war, die Gruppen einzuladen, dieses Format zu testen und sich auszutauschen über das, was andere Gruppen tun. Und die Teilnehmenden konnten sich einfühlen, wie und ob das geht: über das Telefon in größerer Runde vertrauensvoll miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn eine dienstliche Telefonkonferenz mit Tagesordnungspunkten und Chefin, die durch das Gespräch führt, mit Protokollant und Zeitvorgabe ist etwas anderes als der Austausch in Selbsthilfegruppen.

Unser Fazit: geht – und zwar sehr gut! Die Moderation aber auch die Teilnahme sind vielleicht etwas ungewohnt. Ansonsten ist alles wie in realen Treffen auch: Es ist sinnvoll, sich über Gesprächsregeln zu verständigen. Es muss sich jemand zuständig fühlen und den Überblick behalten. Darüber hinaus ist jeder und jede für sich und seine oder ihre Beiträge verantwortlich und trägt mit dem achtsamen Umgang mit dem Wortbeitrag zum Gelingen des Austausches bei.

Als nächstes planen wir eine Videokonferenz mit den gleichen Zielen: Technik testen, einfühlen, unverbindlich ausprobieren. Die Kolleginnen bereiten dies schon vor und laden dazu demnächst ein. Viele aus dem Team haben inzwischen an unterschiedlichen Videoformaten teilgenommen: große Konferenzen mit vorgefertigten Wortbeiträgen, kleine Austauschtreffen mit spontanen Wortmeldungen und fast alles dazwischen. Hier können wir berichten, dass mit jeder Teilnahme die Vertrautheit mit dem Format wächst. Was sich zunächst ungewohnt und hohl anfühlt, wird von mal zu mal angenehmer. Die Bedienungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Tools, die für solche Konferenzen auf dem Markt sind, ähneln einander sehr. Und oft werden in den Konferenzen die verschiedenen Möglichkeiten zu Beginn gemeinsam erprobt: Da können alle mal ausprobieren, wie für einen Wortbeitrag die Hand zu heben ist oder eine Nachricht im Chat hinterlassen werden kann. Das Ausprobieren hilft, sich einzugewöhnen und die Eingewöhnung führt dazu, die Extras schätzen zu lernen. Später wird das sogar Routine.

Und noch ein neues Format beschäftig uns: das Outdoor-Treffen: den neuen Gruppen, die schon so lange auf einen Start warten, geben wir die Gelegenheit, sich auf unserem Innenhof zu treffen. Dies ist einerseits eine gute Sache, denn die Raumsuche ist ja für bestehende Gruppen schon schwer genug. Und wenn dann mehr als 10 Personen zusammenkommen wollen, ist ein Treffen in Innenräumen schwer hinzubekommen. Im Verlauf stellen wir fest, dass es bei Regen selbst jetzt im Sommer unterm Dach ganz schön duster wird. Und Waschbeton an Putzfassade sehen nicht so sehr gemütlich aus. Dafür sind unsere neuen Stühle für den Außenbereich umso gemütlicher. Robust, gut zu stapeln und schnell aufzubauen sind sie außerdem. Und ein Austausch von Angesicht zu Angesicht, mit Blick auf Gestik und Mimik ist wertvoll. Ein ungeschmückter Raum im Freizeitheim ist vielleicht auch nicht heimeliger als unser Parkplatz.

Auch Indoortreffen haben aufgrund der fehlenden Raumgrößen in ganz kleinem Rahmen schon bei uns im Konferenzraum stattgefunden. Namenslisten, Desinfektion, Abstandsregeln und Dauerlüftung selbstverständlich inbegriffen.

Egal ob drinnen oder draußen, per Video oder Telefon – jedes Format hat etwas für sich. Und in jedem Format gibt es Mängel: Hörgeschädigte können nicht telefonieren. Hochrisikopersonen sollten Treffen in Innenräumen meiden. Manche Ältere haben keine Technik für die Videokonferenz. Und draußen ist es kalt, nass oder zu laut. Es bleibt spannend, wie es weitergeht. Und wir kommen nach und nach zu dem Schluss, dass es vielleicht nicht die eine sinnvolle Lösung gibt, sondern es sich lohnt, sich die Vielfalt der Möglichkeiten allesamt anzueignen und zu nutzen!

Nie

Verschiebung des 28. Burgdorfer Selbsthilfetages

Aufgrund der Auswirkungen des Corona Virus / Covid-19 habe ich entschieden den 28. Burgdorfer Selbsthilfetag auf den 28.August 2021 zu verschieben (die Verschiebung erfolgte in enger Abstimmung mit dem Vorbereitungskreis der Selbsthilfe in der Region Hannover – Burgdorf und Umgebung -). Die anhaltenden und berechtigten Einschränkungen während der augenblicklichen Covid-19 Pandemie zwingen mich zu diesem Schritt. Mit dieser Terminverschiebung folge ich der Empfehlung des Krisenstabs der Bundesregierung, bei der Risikobewertung von Großveranstaltungen, die Prinzipien des Robert Koch-Instituts zu berücksichtigen. Diese beinhalten unter anderem einen Ausschluss von Personen aus Risikogruppen, wie Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten, die einen Großteil der Besucher unseres Selbsthilfetages (SHT) ausmachen.

Ihr, die Gestalter des SHT könnt darauf vertrauen, dass wir auch in schwierigen Situationen besonnen, in voller Verantwortung und unaufgeregt handeln. Im öffentlichen Raum strickte Hygieneregeln einzuhalten ist ungleich schwerer, als z.B. während eines Seminars mit einem geschlossenen Teilnehmerkreis. Aufgrund der Tatsache, dass nach augenblicklichem Kenntnisstand die Kontaktbeschränkungen bestehen bleiben, ist eine Durchführung im Sommer 2020 unmöglich. Auch das beste und durchdachteste Hygienekonzept ist in der Öffentlichkeit kaum umsetzbar. Intensiv und lange habe ich mich zur Vorbereitung eines gerade stattgefundenen Seminars damit beschäftigt. Wir alle werden das Vorhandensein des Virus noch lange hinnehmen müssen und unser Verhalten anpassen. Corona ist allgegenwärtig und wird uns noch lange Zeit begleiten. Keinesfalls wollen wir uns davor verstecken, aber wir wollen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, das damit verbundene Risiko so klein wie möglich halten. Covid-19 ist eine große bislang unbekannte Herausforderung für alle und jeden.  Wir stellen uns ihr und verschieben unseren 28. Selbsthilfetag nach 2021.

Allein den geforderten Mindestabstand zwischen dem Standpersonal einzuhalten ist schlichtweg unmöglich. Außerdem geht es bei den zu führenden Gesprächen mit den Besuchern oftmals um sehr persönliche Belange, die niemand über die Distanz von mehreren Metern dem anderen “zuschreien” möchte. Eine vorgeschriebene erforderliche Zugangsbeschränkung / Zugangskontrolle stellt für uns eine weitere unüberwindbare Hürde dar.

Ich hoffe sehr, dass es euch gut geht und ihr euch den veränderten Lebensverhältnissen angepasst habt und so einen direkten Kontakt mit dem Virus verhindern konntet. Damit das auch so bleibt sollten wir uns alle solidarisch verhalten und weitgehend auf Kontakte außerhalb des direkten häuslichen Umfeldes verzichten. Vergesst dabei aber bitte nicht eure Nachbarn, Freunde und die anderen Gruppenmitglieder. Haltet Kontakt! Es gibt immer Wege der Kommunikation – erobern wir sie uns und entdecken wir neue. Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, auch jetzt, zu einer Zeit in welcher das Virus uns nicht mehr so nah erscheint, wachsam zu bleiben. Gemeinsam wollen wir Erreichtes nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Unaufgeregtes Handeln ist gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig.                                                  

Kommt gut durch diese fordernde Zeit und erlebt ein „berührungsfreies“ Miteinander.  Ein nettes Wort gelingt trotz Mund-Nasen-Schutz, ein freundliches Moin oder Guten Tag, verbunden mit einem Lächeln erwidert euer Gegenüber sicherlich sehr gern.

Ich wünsche allen Adressaten den richtigen Blick für die Lage, geht euren Weg!  Einen Weg der euch zufriedenstellt, mit dem ihr gut leben könnt und vergesst dabei bitte nicht die Verantwortung anderen gegenüber.

Ullrich Weber, Sprecher der Selbsthilfegemeinschaft Selbsthilfe in der Region Hannover – Burgdorf und Umgebung

Die Lockerungen sind lang erhofft und viel zu schnell

Wieso muss das alles immer so schnell gehen?

Der Lockdown mit seinen schnellen radikalen Maßnahmen hat mich, hat wahrscheinlich uns alle sehr überrascht. Dann folgten lange Wochen des Aushaltens und der bangen Frage, ob das denn alles so richtig war und ist. Auch wenn ich keinen Zweifel hatte, dass dieses Virus eine große Bedrohung darstellt, war dieses Aushalten eine Herausforderung für mich.

Beruhigend dabei fand ich die Erkenntnis einiger Studien, dass alle Maßnahmen zusammengenommen uns bis hier her vor der großen Katastrophe bewahrt haben. Das Gesundheitssystem hat gehalten – wenn auch viele Beteiligte unter großen Belastungen arbeiten mussten und dies auch immernoch tun.

Die Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen auf Heimbewohner und ihre Angehörigen, auf Kinder ohne die sozialen Kontakte aus Schule und KiTa, auf Eltern in der Doppelbelastung und auf die vielen Menschen, deren Existenzgrundlage bedroht ist, sind an dieser Stelle noch nicht absehbar.

Aus vielen Selbsthilfegruppen haben wir die Rückmeldung erhalten, dass die persönlichen Treffen mit allen Alternativen, die gesucht und gefunden wurden, nur schwer ersetzbar waren. Nun sind die Treffen wieder offiziell erlaubt und viele Gruppen sind schon wieder zusammengetroffen oder werden dies sehr bald tun.

Die Lockerungen waren also lang erhofft.

Trotzdem geht mir die Schnelligkeit der Lockerungen und die große Bandbreite dessen, was wieder möglich ist, viel zu schnell. Wenn denn die Maßnahmen so wirkungsvoll waren – wie können wir verhindern, dass nun alles wieder von vorne losgeht?

Ja, wir sind sensibilisiert. Die Maskenpflicht gilt an vielen Stellen noch. An die Abstandsregeln haben wir uns gewöhnt. Aber ich habe auch etwas über exponentielles Wachstum gelernt: es fängt schleichend und unerkannt an – und wenn es dann sichtbar wird, ist es in seiner Wucht nicht oder nur noch mit radikalen Maßnahmen aufzuhalten.

Ich hoffe, dass die Vorsicht und Vernunft im Umgang mit der immernoch großen Gefahr in unserer Gesellschaft überwiegt. Dass die Notwendigkeit des Kontaktes miteinander uns nicht unvorsichtig werden lässt. Dass wir nicht nur überlegen, was wir wieder tun wollen, sondern auch, wie wir dies maßvoll und achtsam tun können. Dass wir miteinander in Beziehung bleiben und trotzdem oder gerade deswegen aufeinander aufpassen. Es ist viel möglich. Und es sind auch viele Vorsichtsmaßnahmen möglich. Lasst uns dranbleiben – miteinander und füreinander.

Nie

Startklar

Ein offenes Gespräch mit zur Hälfte verdeckten Gesichtern ist schwierig und für Menschen mit einer Hörschädigung zum Beispiel gar nicht möglich. Daher sind wir aktiv geworden und haben bei einem Hersteller in der Region zentral 1000 Visiere anfertigen lassen und an Selbsthilfegruppen verteilt. Die Nachfrage war groß und hat uns selbst überrascht und natürlich auch gefreut. Denn die neuen Visiere können zumindest eine kleine Erleichterung für die nun wieder erlaubten Gruppentreffen sein.

Für die 18 Selbsthilfegruppen, die zum Lockdown gerade in der Gründungsphase waren, geht es nun ebenfalls weiter. Die KIBIS startet auf dem überdachten Innenhof erste Treffen mit neuen Stühlen für den Außenbereich. Wir hoffen, dass sich Interessierte von dem Parkplatz-Flair nicht abschrecken lassen. Kleine Gruppen mit bis zu sechs Teilnehmer*innen können ihre Gründungen aber auch in den Innenräumen der KIBIS fortsetzen.

Bleibt zu hoffen, dass es nun auch bald für alle Selbsthilfegruppen in der Region Hannover Räumlichkeiten gibt, in denen die Treffen wieder stattfinden können. Denn das gestaltet sich bislang, nach Auskunft einiger Gruppen mit denen wir in dieser Woche Kontakt waren, noch schwierig.

HA

…es bewegt sich doch etwas!

Selbsthilfegruppen dürfen sich wieder treffen! Diese Erkenntnis ergibt sich nach sorgfältigem Studium der niedersächsischen Verordnung zu infektionsschützenden Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Nun wissen wir aus der Vergangenheit, dass diese Verordnung großen Interpretationsspielraum hat. Daher hat es uns sehr gefreut, dass der Fachbereich Gesundheit der Region Hannover unsere Interpretation der Verordnung ausdrücklich unterstützt. Und die besagt: Selbsthilfegruppen dürfen sich in der Region Hannover bei Beachtung grundlegender Hygienemaßnahmen wieder treffen!

Ob nun auch Vermieter*innen ihre Räume für die Gruppentreffen zur Verfügung stellen und was die Hygieneregeln mit den Teilnehmenden macht, das wird sich zeigen.

An Abstandsregeln haben wir uns ja inzwischen fast gewöhnt. Ob Gruppen mit dem Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken den Schutz der einzelnen erhöhen wollen, ob ein dauernder Durchzug zwecks ständiger Belüftung eher als erfrischend oder belastend empfunden wird, ob die Vermieter*innen für Desinfektionsmittel sorgen oder ob das den Gruppen überlassen bleibt? Nun gilt es, sich auszuprobieren.

Vielleicht ist es einigen Gruppen auch noch zu früh, zu unsicher, zu beängstigend. Es ist so schwer, das Infektionsrisiko abzuschätzen. Und so groß der Wunsch nach persönlichen Treffen auch ist – das Virus bleibt präsent und macht Sorge.

Wir haben in den vergangenen Wochen ganz unterschiedliche Rückmeldungen zu virtuellen, schriftlichen, telefonischen Treffen, zu Einzelkontakten oder zu Funkstille erhalten. Wir gehen davon aus, dass auch jetzt die Realität der Treffen so bunt werden wird, wie Selbsthilfe immer schon war. Und wir haben großes Vertrauen, dass die Selbsthilfegruppen kreative und tragfähige Lösungen für sich finden und dabei achtsam die Bedürfnisse aller kommunizieren, bedenken und in der Umsetzung beachten.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns berichten: Wie fühlt sich ein echtes Treffen mit Hygieneregeln an? Was behalten Sie bei, was wollen Sie verändern?

Nie

Für uns ist das alles sehr unverständlich …..

In Fitnessstudios dürfen Sporttreibende wieder intensiv Schweiß und Atemluft verteilen, in Cafés und Restaurants darf Kuchen und Braten geschlemmt werden und ab dem 8. Juni sind die Sporthallen für Bewegungshungrige wieder geöffnet.

Die Teilnehmenden aus Selbsthilfegruppen sind jedoch komplett vergessen worden oder werden gedanklich einfach dem Freizeitvergnügen zugeordnet. Seit Ende April versuchen wir die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger*innen oder Einflussnehmer*innen zu gewinnen – bis jetzt ohne konkretes Ergebnis. Die Landesebene verweist immer wieder auf die Verordnung vom 11.05., die schon sehr unklar formuliert ist und bei der genauen Nachfrage nur Gruppenangebote in Beratungsstellen zulässt – oder was auch immer. Auf lokaler Ebene haben wir bisher keine Antwort vom Fachbereich Gesundheit oder von der Stadt Hannover erhalten. Gleichzeitig trudeln bei uns E-Mails von Selbsthilfegruppen ein, die eigenständig Anfragen gestellt und einen bunten Strauß von Antworten bekommen haben. Doch am Ende leider immer sehr unkonkret.

Was würden wir uns wünschen …..

Wir haben mit dem heutigen Stand 245 Selbsthilfegruppen aus der Region Hannover angerufen und nach dem Befinden und den Kontaktformen gefragt. Etliche Gruppen greifen auf Telefon- oder Videokonferenzen zurück (siehe andere Beiträge in diesem Blog), aber den meisten fehlt das Zusammenkommen und der direkte Austausch. Schon vor Wochen haben uns insbesondere die Gruppen zum Themenbereich Sucht oder psychischen Problemlagen ihre Nöte geschildert und uns gebeten, für sie aktiv zu werden. Inzwischen erreichen uns täglich Anrufe von allen möglichen Gruppen und die Ungeduld und auch das Unverständnis wächst von Tag zu Tag.

In Selbsthilfegruppen kommen Menschen zusammen, die sich mit ihrer Erkrankung oder ihrem Problem auseinandersetzen, sich umfangreich informieren und ihr Leben in die Hand nehmen. So haben sich auch diese Menschen schon viele Gedanken gemacht, unter welchen Bedingungen sie sich wieder treffen können bzw. wollen. Schließlich gehören viele zu den Risikopersonen und darüber gibt es ein sehr hohes Bewusstsein. Selbstverständlich gibt es auch eine hohe Bereitschaft zum Abstandhalten, zum Namenslistenführen, zum Lüften und gegebenenfalls auch zum Händedesinfizieren. Die KIBIS versucht zurzeit zentral Visiere für alle, die Bedarf haben, zu beschaffen. Es liegen schon rund 500 Bestellungen vor.

Worauf wir sehr ungeduldig warten …..

Jetzt fehlt einfach das offizielle OK, welches aber auch unverzichtbar ist. Schließlich treffen sich Selbsthilfegruppen in öffentlichen Räumen, wie Freizeitheimen, Kirchengemeinden oder anderen normalerweise frei zugänglichen Räumen. Diese können natürlich nur mit der offiziellen Erlaubnis genutzt werden. Selbst für Treffen in der freien Natur würde diese Erlaubnis erforderlich sein, weil die Teilnehmenden aus deutlich mehr als zwei Haushalten kommen.


Wir können nur immer wieder an Entscheider*innen appellieren, sich die Situation von Teilnehmenden aus Selbsthilfegruppen bewusst zu machen, insbesondere im Hinblick auf die Folgen der ausbleibenden Treffen und die damit verbundene eventuell eintretende Destabilisierung für Einzelne. Rückfälle von z.B. Suchtkranken können am Ende hohe Kosten für das Gesundheits- und Sozialsystem verursachen und ziehen enorme Schwierigkeiten in Lebensläufen nach sich.

Also: BITTE MEHR AUFMERKSAMKEIT FÜR DIE SELBSTHILFE!

RH